Wincasa – digital Master in der Immobilienbranche


Oliver Hofmann ist seit 1. Januar 2013 Chief Executive Officer des Immobiliendienstleistungsunternehmens Wincasa AG; seit 1. Juni 2013 Mitglied der Gruppenleitung der Swiss Prime Site AG. Er ist zudem Mitglied der «G15 – Group of Fifteen».
Wincasa – digital Master in der Immobilienbranche. Einer meiner ersten Interviewpartner war Oliver Hofmann, CEO Wincasa. Jetzt wollte ich von ihm wissen, wo sein Unternehmen bezüglich Digitalisierung steht.
2017 haben wir unser erstes Interview zur Digitalisierung geführt. Was hat sich für dich seither generell verändert?
Die Veränderungsgeschwindigkeit rund um bestehende und neue Technologien hat sich meines Erachtens nochmals erhöht. Weltweit fliessen zurzeit enorme Finanz- und Personalressourcen in Innovationen und dies praktisch in allen Branchen. Da wir über globale Informations-, Logistik- und Finanzströme verknüpft sind, werden plötzlich auch Innovationen aus anderen Branchen, wie beispielsweise die Robotic Process Automation (RPA), für den Immobiliensektor relevant. Hierbei den Überblick zu behalten, strukturierte Trendanalysen vorzunehmen und die für unsere Firma oder mich persönlich in meinem Privatleben relevanten Tools herauszufiltern, ist sehr spannend, aber auch anspruchsvoll.
Damals waren die Stichwörter 360°-Wohnungsbesichtigung, MyWincasa, iBeacon. Was ist daraus geworden?
Alle drei genannten Tools sind im Einsatz. MyWincasa haben wir allerdings durch eine architektonisch modernere digitale Plattform abgelöst und werden unseren Mietern ergänzend mit Wincasa Home eine Mieter-App zur Verfügung stellen. Hierzu haben wir vor drei Jahren das Proptech-Unternehmen streamnow von zwei bekannten Technologie- und Private Equity Investoren übernehmen können. Diese digitale Plattform wird gerade breitgefächert für unsere Wohnungsmieter ausgerollt und dient im Rahmen unserer Omni-Channel-Strategie als wichtiges Interaktionsfenster mit Wincasa.
Die virtuelle Wohnungsbesichtigung ist in der Vermarktung inzwischen ein Standardinstrument, dass dort eingesetzt wird, wo es zielführend ist. iBeacons sind zwar noch im Einsatz, werden aber stetig durch moderne Sensoren und IoT-Tools abgelöst.
Wie geht ihr heute mit Big Data um?
Wincasa entwickelt zunehmend die notwendigen Fähigkeiten und Infrastrukturen, um die verfügbaren Daten im Sinne von Big Data zu nutzen und den Mietern und Eigentümern damit einen Nutzen zu stiften. So sind wir daran, unser Data Warehouse zu modernisieren, cloudbasierte Data Science Services zu nutzen und diese technologischen Möglichkeiten mit einem dedizierten Bereich Data Science kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dabei ist die grosse Herausforderung die Erfassung der Daten an der Ursprungsquelle.
Bei Neubauten ist dies kaum ein Problem, da dabei sowohl zwei- wie dreidimensionale Daten in der Planung erstellt und uns alsdann auch digital für den Betrieb zur Verfügung stehen. Jedoch ist der Grossteil des Immobilienparks in der Schweiz älter als 30 Jahre und bei in die Jahre gekommenen Liegenschaften sind solche Daten oder entsprechende Messgeräte oft nicht vorhanden. So fehlen bei Bestandesliegenschaften meist die Basisdaten wie Brutto- oder Nettogeschossflächen, Kubaturen oder auch aktualisierte Energie- bzw. Verbrauchsdaten.
Hierzu verfügen wir über viel internes Know-how und Expertise. So können wir den Immobilieneigentümern über unsere CAFM- und Nachhaltigkeits-Spezialisten umfangreiche Unterstützung zur systematischen Erfassung und Auswertung solcher Daten offerieren. Dies wird insbesondere vor dem Hintergrund von Renovationen, Verdichtungen und der Nachhaltigkeit (z.B. Senkung von Energieverbrauch und Treibhausgasen) relevant.
Mit Wincasa Digital Skills sollten die Mitarbeitenden auf den Weg in die digitale Zukunft begleitet werden. Sind nun alle deine Mitarbeitenden digitale Cracks?
Unsere Mitarbeitenden haben bereits seit vielen Jahren Zugriff auf digitale Tools und Daten. Wir hatten und haben aber auch immer noch viele manuelle Tätigkeiten, die es zu erledigen gilt. Seit Anfang 2020 sind aber alle Wincasa Mitarbeitenden mit einem eigenen, mobilen Laptop ausgestattet, verfügen über MS-Teams und an moderneren Standorten gibt es vollen Wireless-Zugriff. Dies ermöglicht es uns allen, orts- und arbeitsplatz-unabhängig zu arbeiten. In diesem Jahr beginnen wir, unseren gesamten Posteingang sowie alle Mieter- und Liegenschaftsdossiers konsequent zu digitalisieren.
Eine Innovation war das Mietzinsdepot in der Blockchain. Gibt es diese Lösung noch?
Wir haben vor drei Jahren einen Piloten für eine Mietkaution auf Basis Blockchain lanciert. Technisch verlief der Pilot einwandfrei und zeigte das grosse Potential und die Einfachheit in der Abwicklung auf. Eine Herausforderung war und ist nach wie vor die Zahlungsabwicklung mittels der Crypto-Währung Ethereum, welche historisch starken Schwankungen unterliegt. Die Währung war damals neu, die Marktkapitalisierung schwankte in den Folgejahren zwischen CHF 30-100 Mrd. und ist nun seit 2020 auf teilweise bis CHF 200 Mrd. gestiegen.
Die Akzeptanz von Cryptowährungen und Blockchain sowie darauf basierende Use-Cases im Bereich der Logistik, decentralised Finance und der Immobilienbranche wächst und wir werden das Thema kontinuierlich weiterverfolgen.
Der digitale Mietvertrag wurde bereits von mehreren Bewirtschaftern umgesetzt. Ihr habt damit bei den Parkplätzen begonnen. Kommt der angekündigte Rollout nun für Wohnobjekte?
Wincasa hat es mit dem digitalen Vermietungsprozess E-Rent gerade in die „Top 3“ beim Digital Real Estate Summit in der Schweiz geschafft. Es ist geplant, dass unsere Mieterinnen und Mieter bis Ende Jahr auch für Neben- und Wohnobjekte digitale Mietverträge abschliessen oder auflösen können.
An welchen neuen Ideen arbeitet dein Team?
Wir haben in den letzten 24 Monaten die IT-Infrastruktur neu ausgerichtet und zahlreiche Projekte angestossen. Dazu gehören eine Cloud-Strategie, die Ablösung unseres ERP-Systems, der Rollout der digitalen Plattformen und Portale für Eigentümer, Mieter und Mitarbeitende, die Integration von ERP, CRM- und baurelevanten Tools sowie die Umsetzung von Workflows zur Optimierung der internen Zusammenarbeit aber auch zwischen Wincasa, den Eigentümern und den Mietern. Aktuell laufen viele Projekte zur vollständigen Integration dieser Tools und Etablierung von End-to-End-Prozessen.
Des Weiteren entwickeln wir gemeinsam mit Kunden Leuchtturmprojekte zur Vermarktung und für den Betrieb von speziellen Liegenschaften und Arealen. So testen wir bereits neue Pilotanwendungen, wie einen digitalen Empfang, Wochenend-Vermarktungsaktivitäten, Data Science Produkte wie Wincasa UP, ein digitales Tool für umfangreiche Potentialanalysen des eigenen Immobilienbestands oder ein Heiz- und Nebenkosten-Benchmarking zur Kostenoptimierung. Ebenfalls haben wir unser Nachhaltigkeitsteam personell ausgebaut, welches Unterstützung bei der Gebäudezertifizierung, Energiebeschaffung oder Energie- und Treibhausgasreduktion bietet.
«Bis 2020 soll Wincasa Digital Master in der Immobilienbranche sein». Erfüllt?
In den letzten fünf Jahren ist – was die Digitalisierung angeht – sehr viel passiert. Durch die Corornakrise hat diese Thematik im vergangenen Jahr nochmals an Fahrt gewonnen. Ziele sind gut, um sich danach zu strecken und die Organisation darauf einzuschwören. Die aufwendige Revitalisierung der IT-Infrastruktur, insbesondere die Integration von Applikationen und Services, die Entwicklung von Schnittstellen (API’s) und die Modernisierung von Datenbanken – alles unter Berücksichtigung der neuen technologischen Entwicklungen und der notwendigen Einhaltung von Datenschutz und Compliance braucht seine Zeit. Unsere Technologie-Transformation, die übrigens nicht ohne Prozess- und Organisationsveränderungen funktioniert, dauert zwischen 5-7 Jahre.
Mit unserer Vision Wincasa2025 werden wir diese aber realisieren und sind auf gutem Weg.
Wincasa – digital Master in der Immobilienbranche. Wir sind gespannt, was da noch alles auf uns zu kommt. Danke Oliver für das Gespräch und weiterviel Erfolg.
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