Früh Immobilien ist früh

Früh Immobilien ist früh. Wohl einmalig in der Schweizer Immobilienlandschaft ist die Stelle KI-Transformation. Insights im Interview mit Philipp Früh und Sebastian Köpe. Wie kann die Expansion nach Deutschland oder Österreich gelingen. Im Workshop von SGE habs die Informationen dazu. Und am Schluss dieses Artikels meine Empfehlung für die nächsten Veranstaltungen.
Früh Immobilien ist früh
Anfang Woche habe ich mich mit Philipp Früh, Geschäftsführer, und Sebastian Köpe, Leiter KI-Transformation, von Früh Immobilien getroffen. Thema unseres Gesprächs: Künstliche Intelligenz. Nicht künstlich, sondern künstlerisch präsentiert sich der Hauptsitz dieser Immobilienfirma. Überall stehen oder hängen Kunstwerke mit stoistischem Hintergrund.
Anlass für das Gespräch war die Ankündigung, dass Früh Immobilien mit Sebastian einen Leiter KI-Transformation angestellt hätte. Da KI seit der Lancierung von ChatGPT die Medien, wie auch die öffentliche Diskussion beherrscht, wollte ich von den beiden mehr wissen.
Wo steht die Digitalisierung bei Früh Immobilien auf einer Skala von 1-10?

Philipp ist seit 11 Jahren bei der Früh Immobilien und hat 2018 die Geschäftsleitung übernommen.
Philipp: Eine schwierige Frage und ich will mich gar nicht festlegen. In der Branche wird seit vielen Jahren über die Digitalisierung gesprochen. Passiert ist eigentlich wenig. Kommt hinzu, dass das Wissen innerhalb der Immobilienbranche immer noch erschreckend tief ist.
Wir haben intern viele Prozesse verbessert. Sicher ist der Verkauf stärker digitalisiert. So verwenden wir ein sehr leistungsfähiges CRM und wir kennen seit längerem die digitale Verkaufsdokumentation. Ich überlege mir mit meinem Team aber sehr genau, wo ich weiter investieren will. So erstellen wir virtuelle Begehungen nur für ausgewählte Objekte, wo der zusätzliche Marketing-aufwand gerechtfertigt ist. Flächendeckend setzen wir solche eher teuren Instrumente sicher nicht ein.
Wozu hast du den Leiter KI-Transformation eingestellt?
Philipp: Ich habe selber mit ChatGPT «gespielt» und danach versucht, das Potenzial dieser Technologie für mein Unternehmen, aber auch für die Immobilienbranche zu erahnen. KI ist für mich vergleichbar mit der Einführung des Internets. Auch dieses brauchte zuerst viel Zeit, bis es sich überall durchsetzte. Mit der Verfügbarkeit von immer grösserer Bandbreite setzte sich das Internet immer schneller durch. Wir stehen bei KI noch ganz am Anfang, aber ich will mit meiner Firma ganz früh dabei sein. Dazu benötige ich die richtigen Ressourcen.
Wo setzt ihr heute KI im Unternehmen ein?
Philipp: Auch wir stehen noch ganz am Anfang. KI kommt z.B. bei der Korrespondenz zum Einsatz, wo die gelieferten Resultate schon sehr ansprechend sind. Aber es braucht immer noch den Menschen, um den Output zu überprüfen. Chatbots setzen wir (noch) nicht ein. Heute könnte man die Verfügbarkeit von KI im Unternehmen noch als Spielerei bezeichnen. Wir lernen aber jeden Tag hinzu und verbessern unsere Fähigkeiten.
Wie lässt du die Branche von euren Erfahrungen profitieren?
Philipp: Das Interesse nach der Ankündigung der Stelle «KI-Transformation» war riesig. Mittlerweise hat es sich eingependelt. Wer etwas von uns wissen will, dem stehen wir Red und Antwort. Aber wir werden mit KI sicher nicht «missionieren». Der SVIT Zürich kennt ja die Digital Kommission. Da kann ich mir einen intensiveren Austausch gut vorstellen.
Der Austausch mit Philipp Früh war für mich auch eine Lehrstunde in Unternehmensführung. Der Geschäftsführer von Früh Immobilien betonte mehrmals, dass für ihn geschäftlich und privat ineinanderfliessen. So sei er mit den anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung eng befreundet.
KI ist gekommen, um zu bleiben
Sebastian Köpe hat nun seit einigen Monaten die Stelle als Leiter KI-Transformation inne. Wie ist er überhaupt an diese Stelle gekommen? Wie so oft, ist es ganz einfach. Philipp und Sebastian sind befreundet. Sebastian hat an der HSG studiert und Berufserfahrung z.B. bei Fintechs gesammelt. Bei Früh Immobilien konnte er als Assistent der Geschäftsleitung mit einem Stage einsteigen. Philipp Früh schätzte von Beginn weg den externen Blick, den sein Freund als Akademiker in die Immobilienfirma brachte. Sebastian hingegen gefiel die Offenheit, welche er in der Firma antraf. Und so kam es zur Anstellung als Leiter KI-Transformation.
Wo siehst du konkrete Anwendungen im Immo-Umfeld?

Sebastian hat an der HSG studiert und während des Studiums im Fintech Bereich gearbeitet.
Sebastian: Im Moment wird noch viel gespielt und es gibt noch wenig konkrete Anwendungen. Im Vordergrund stehen sicher Applikationen wie Microsoft Office. Der amerikanische Gigant hat erkannt, dass die Integration von KI in bestehenden Lösungen ein bedeutender nächster Schritt sein wird. So kommen weltweit die Anwender mit KI in Kontakt und lernen die Funktionen kennen und schätzen. Sicher wird KI die Welt der Chatbots verändern. Auch bei Bildern und Videos sehe ich riesiges Potenzial. Auf jeden Fall gibt es heute bereits eine enorme Auswahl von Lösungen zur Prozessoptimierung. Es gilt nun, die für uns richtigen und wichtigen Applikationen zu finden. Da wir eine eigene IT-Abteilung haben, können wir Tools auch selber entwickeln oder in bestehende Lösungen integrieren.
Wie stehst du generell zu KI?
Sebastian: Wir dürfen keine Berührungsängste vor KI haben. Da sehe ich auch einen wichtigen Beitrag von mir innerhalb von Früh Immobilien. In einem stetigen Lernprozess sollen die Mitarbeitenden an KI herangeführt werden. Ziel muss es aber sein, dass sie nicht nur spielen, sondern KI sinnvoll in der täglichen Arbeit einsetzen. Der Mensch steht für mich auch in Zukunft im Vordergrund. Wenn wir die Menschen stetig ausbilden und mit KI vertraut machen, können wir die Ängste vor dem Neuen und dem Wechsel abbauen. Ich sehe die Zukunft von KI im Bereich Open Source, denn nur so kann die Abhängigkeit von den grossen Tech-Firmen verringert werden.
Wie bildet sich der Leiter KI-Transformation weiter?
Sebastian: Einen grossen Teil meiner Arbeitszeit setze ich für Desk Research ein. Ich lese viel Fachliteratur und tausche mich in spezifischen Foren aus. In der Schweiz hat sich bisher noch keine formelle KI-Community gebildet, wie wir sie benötigen. Aber vielleicht greift der nationale Ansatz eh zu kurz. Anderseits teste ich verschiedene Applikationen und Tools welche bestehende Prozesse optimieren könnten. So behalte ich den Überblick.
Beim Espresso schnitten wir noch weitere Themen an. Philipp Früh setzt auch bei KI auf den Grundsatz KISS (keep it simple and stupid). Er sieht die Gefahren, aber noch viel mehr die Chancen von KI. Dem Menschen stünde immer wieder die Angst vor Veränderungen im Wege, meint Philipp. Sebastian sieht den Nutzen von Regulierung, auch bei KI. Allerdings hätte der Zug schon ordentlich Fahrt aufgenommen. Es bestünde die Gefahr, dass der Regulator abgehängt wird. Ich erwähne noch das Problem der Urheberrechte. Auch da ist Philipp recht entspannt. Er identifiziert das Problem vor allem bei den grossen Konzernen wie Disney, die um ihre fetten Erträge fürchteten. Zur Illustration erwähnt Philipp das Beispiel mit dem Taschenrechner. Es sei urheberrechtlich unerheblich, ob ich eins und eins im Kopf oder mit dem Taschenrechner zusammengezählt habe. Im ersten Moment leuchtet sein Beispiel ein. Aber stimmt es auch dort, wo es um eine intellektuelle Leistung geht?
Datahouse AG organisiert übrigens zwei kostenlose Events mit dem Thema «Künstliche Intelligenz verstehen – ChatGPT and beyond». Am 24. Mai vor Ort im Börsensaal am Bleicherweg in Zürich oder am 1. Juni Online. Hier gibt es mehr Informationen zum Anlass.
Events
Nadja Kolb und Katalin Dreher von Switzerland Global Enterpreise luden zu einem Workshop über Mittag ein. Thema: „Gut zu wissen: Internationalisierung Schweizer PropTechs nach Österreich und Deutschland“. Teilgenommen haben 14 PropTechs aus den verschiedenen Bereichen. Zusätzlich waren auch die Marktplätze, Netzwerkorganisationen und Berater anwesend.
Zum Auftakt stellte Julia Artl von agpti ihr PropTech Netzwerk in Österreich vor. Zusammen mit gpti aus Deutschland und Swiss PropTech bilden sie das PropTech Netzwerk im DACH-Raum. Julia zitierte einige Erkenntnisse aus dem 1. PropTech Report. Dabei erwähnte sie, dass Europa im Vergleich zu USA im Bereich ESG viel weiter sei. Sie bemängelte auch das praktisch inexistente R&D-Budget der Immobilienbranche. Julia’s Empfehlung an die Teilnehmer des Workshops: Schaut euch die Ökosysteme an und besucht die relevanten Veranstaltungen.
blackprint gehört in Deutschland auch zum PropTech Ökosystem. Gerade haben sie die PropTech Awards verliehen. Auch Lukas Linn bezog sich auf die verschiedenen Reports von blackprint. Nicht weiter verwunderlich sind die PropTech Hotspots Berlin und München. 30 % aller PropTechs decken die Bereiche Planen, Bauen, Sanieren, BIM ab. Lukas identifizierte als Hürden beim Markteintritt in Deutschland die Bürokratie, den Föderalismus und eine fehlende Präsenz im deutschen Markt. Laut dem deutschen Experten sind die Bewertungen bei den aktuellen Finanzierungsrunden realistischer geworden, d.h. gesunken.
Über DACH hinausdenken
Einer, der es wissen muss, ist Matthias Standfest, Gründer und CEO von Archilyse. Er plauderte unter dem Titel «hot air and high pressure» aus dem Nähkästchen. Er betonte einmal mehr die Wichtigkeit des Teams. Allerdings warnte er vor der Anstellung von Personen aus grossen Firmen. Diese passten vielfach nicht zur Kultur eines Startups. Matthias nannte ARR (annual recurring revenue) als wichtigste Kenngrösse. Netzwerke kann man nicht kaufen, diese muss man sich erarbeiten. Dies eine weitere markante Aussage vom CEO von Archilyse. Kritisch sieht er auch die überzogene Erwartungshaltung an die Zusammenarbeit mit sog. strategischen Partnern. Diese brächten vielfach nicht das gewünschte Know how oder den erhofften Umsatz. Zum Schluss empfahl Matthias den Blick über den DACH-Tellerrand. Die skandinavischen Länder oder der angelsächsische Raum würden meistens besser passen für Schweizer PropTechs.
Richtig ans Eingemachte ging es bei den Referaten von Nadja und Katalin. Was braucht es wirklich für den Markteintritt? In Österreich wie auch in Deutschland ist die Gründung einer eigenen Niederlassung sehr schnell nötig und sinnvoll. Die Entsendung eines in der Schweiz angestellten Mitarbeiters birgt viele Risiken. Die Umgehung über einen Online-Shop ist ebenfalls wenig zielführend, sind doch die rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland oder Österreich zu berücksichtigen. Katalin erwähnte, dass die Honigtöpfe in Österreich prall gefüllt seien, auch für PropTechs stünden erheblich Fördermittel zur Verfügung.
Aufgrund der vielen Beratungsgespräche wissen die beiden Fachfrauen von SGE, dass die Expansion in neue Märkte vielfach opportunistisch angegangen wird. Vielfach fehle der strategische Ansatz beim Sprung über die Grenze. Ein Gespräch mit den Exponenten von SGE lohnt sich auf jeden Fall. Sie verfügen über ein exzellentes Netzwerk, können die Besonderheiten der Märkte und können helfen, die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Am 20./21.6.23 findet in Düsseldorf ein Anlass statt, welcher auch für Schweizer PropTechs wichtig sein könnte.
PropTech Map Switzerland
Unter «Construction» gibt es neu den Eintrag von Planon, einer Lösung für Smart Sustainable Building Management.
Campos hat ein neues Logo erhalten.
Ausgewählte Veranstaltungen
Bau und Wissen organisiert am 25./26.05.2023 in Zürich eine spannende Veranstaltung mit dem Titel: Wettbewerbsvorteile dank digitaler Transformation im Bau- und Immobilienwesen
immotable.ch kommt am 1. Juni 2023 nach Winterthur.
Im Juni die PropTech Vienna besuchen. Dann nichts wie los am 14.6.23 nach Wien.
Der Smart!mmo Kongress lädt Interessierte am 15.6.2023 nach Spreitenbach ein.
The BIG HANDSHAKE findet am 20. Juni 2023 statt.
Der 9. Immobilien-Summit findet am 4. Juli 2023 in Dübendorf statt.
Bau und Wissen organisiert am 11./12.07.2023 auch in Bern eine spannende Veranstaltung mit dem Titel: Wettbewerbsvorteile dank digitaler Transformation im Bau- und Immobilienwesen
REAL PropTech Conference 23 findet in Frankfurt am 7. und 8. September statt.
0 Kommentare