Gartner Life Cycle und das Liebesleben

Veröffentlicht von proptechnews am

Nach dem Stehlunch schossen die Organisatoren des Digital Real Estate Summit ein überraschendes Feuerwerk in die verschiedenen Räume der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg-Windisch. Peter Staub, Mitinitiator des Summit, erwähnte den steigenden Druck auf die Veranstalter wegen der immer höheren Erwartungen. Die Digitalisierung der Immobilienbranche in der Schweiz bewege sich auf dem Gartner Life Cycle von Gipfel der übertriebenen Erwartungen hinunter ins Tal der Tränen. Staub erinnerte daran, dass dieses Meer der Tränen gefüllt wurde mit den positiven wie negativen Erfahrungen. Dies gebe Zuversicht für die Zukunft. Ganz klar ist heute, dass es digitale Oekosysteme brauche. Einer allein schaffe es nicht, nur die Zusammenarbeit der verschiedenen Anbieter schaffe Mehrwert für Kunden und sichere das Überleben der Firmen. Im Vorfeld des Summit konnten sich Firmen um einen Platz unter den Digital Top 10 bewerben. 50 Projekte wurden eingereicht, vier davon schafften es in die Endausmarchung: Bonacasa, SBB, Siemens und WüstPartner. Diese vier Lösungen wurden später im Detail vorgestellt. Spannend wird es sein, diese Produkte nach zwei, drei Jahren wieder anzuschauen. Haben sie es geschafft, sich im täglichen Leben durchzusetzen?

Schlafe weiter, liebe Schweiz

Estland hatte als erstes Land weltweit einen Verantwortlichen für Digitalisierung. Taavi Kotka erinnerte an das Buch von George Orwell und meinte, dass «1984» schon längst nicht mehr Fiction sei. Estonia sei führend in der Digitalisierung der Gesellschaft. Nur China wäre weiter, aber auch mit sehr gefährlichen Tendenzen bezüglich totaler Überwachung der Bürger. Veränderungen, so Kotka, würden nur geschehen, wenn die Not gross sei. Dies wäre in Estland nach der Wende der Fall gewesen. Und einen kleinen Seitenhieb auf die Schweiz, wo Kotka eben diese Not nicht sieht. Die Regierung in Estland fragte sich, wie die 1.3 Millionen Einwohner mit den Leistungen des «Service Public» versorgt werden sollen. Braucht es in jedem Ort eine Post, Bank, ein Gemeindehaus? Als Antwort auf die vielen Fragen entstand das digitale Estland. Fairerweise muss man anfügen, dass in diesem Land die Infrastruktur schlecht war und somit die Schweizer Entwicklungsschritte übersprungen werden konnten. In Estland hat jede Person eine persönliche Identifikationsnummer, vergleichbar mit unserer Versicherungsnummer. Darauf baut jede digitale Lösung auf und so werden Silolösungen miteinander verknüpfbar.

Kotka ging ausführlich auf das Thema «Privacy» ein. Seine klare Meinung: Trugschluss! Am Beispiel des elektronischen Patientendossiers zeigte er auf, dass es nicht wichtig sei, ob die Gesundheitsdaten auf Papier oder digital festgehalten seien. Viel wichtiger sei die Qualität und ob die Daten à jour seien. In Estland kann jeder über sein persönliches Logbook nachschauen, wer alles auf sein Patientendossier zugegriffen hat. Im World Wide Web hinterlassen wir überall Spuren und diese können nachverfolgt, erfasst, ausgewertet werden. Für Kotka ist klar, dass persönliche Daten wertvoll sind. Heute lockt Google mit der kostenlosen Suchmaschine, dafür gebe ich ihnen die Daten über mein Suchverhalten. Aufwachen werden wir erst, wenn Google die Suche kostenpflichtig machen wird. Dann fragen wir nach dem finanziellen Wert der persönlichen Daten. In Zukunft werden wir also eine Art Gegengeschäft erleben. Dank der Digitalisierung werden Arbeits- und Wohnort sich immer mehr verwischen. Mit dem Modell «e-Estonia» lebe ich auf Bali und betreibe meine geschäftlichen Aktivitäten in Estland. Zum Schluss meinte Kotka mit einem Augenzwinkern, dass sich die Schweiz ja nicht bewegen solle. So hätten Länder wie Estland eine gute Entwicklungschance.

Wie digitalisiere ich den Elefanten?

Digital Real Estate Event in der Fachhochschule Brugg. Bild Tom Kawara, Brugg, 5.3.2019

Wie verändert die Digitalisierung den Bereich «Corporate Real Estate» eines Weltkonzerns? Auf diese Frage ging Ulrich Kerber ein. Am Beispiel seines Mutterhauses Freudenberg zeigt er auf, dass es bei der Digitalisierung ums Geschäft und nicht um die Informatik gehe. Prozesse könnten schneller, einfacher erledigt werden oder sie würden gänzlich wegfallen. Digitalisierung sei eine soziale Revolution, welche die Führungskräfte in einem Unternehmen enorm beanspruche. Es gehe um Vertrauen und um Kultur. Kerber fordert ein Umfeld, in dem der Wandel gelinge. Ihm persönlich gefalle dieses Wort «gelingen» besonders. In anderen Sprachen gäbe es dieses nicht. Im Englischen sprechen wir von «make or create». «Gelingen» – in tolles Wort! Kerber stellte viele Fragen. Was brauchen wir wirklich? Wie schaffen wir Raum, dass sich die Mitarbeitenden angstfrei einbringen können? Haben sich die Fähigkeiten und Anforderungen innerhalb des Transformationsprozesses bei Freudenberg verändert?

Nach den Präsentationen auf der Hauptbühne wurden die Teilnehmer nochmals stark gefordert. Innerhalb von 2 Stunden standen 16 parallele Veranstaltungen zur Auswahl. Der 5. Digital Real Estate Summit endete mit Gedanken zur Künstlichen Intelligenz. Joachim Buhmann von der ETH Zürich fragte, ob Algorithmen autonom Wissen oder Daten generieren können. Seit AlphaGo wissen wir, dass der Mensch nicht mehr der Lehrer der Maschine ist.

In einem Jahr wissen wir schon wieder mehr. Der 6. Digital Real Estate Summit findet am 3. März 2020 statt.


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